Grabmale des Klassizismus

Grabstele des Generals von Brauchitsch, Entwurf von Schinkel

Grabmal des Oberstleutnant Teichert, Entwurf von Schinkel

 
KLASSIZISMUS

Grabdenkmal und Landschaftsgestaltung verbanden sich seit dem Ende des 18. Jahrhunderts zu einer ästhetischen Einheit. Die Erinnerungs-Monumente sollten dem über verschlungene Wege Wandelnden Stimmungswerte vermitteln, die seinem Bedürfnis nach Sentiment und klassischer Bildung Rechnung trugen. Stele, Urne, Zippus und Säule sind dabei die hauptsächlichen Gestaltungselemente der frühklassizistischen Grabmalskunst. Sandstein statt Marmor und das Fehlen christlicher Symbole sind charakteristisch.


Die Steine des Spätbarock und des Frühklassizismus

Die Steingrabmale der Zeit von 1780-1840 zählen heute zu den ältesten erhaltenen Grabmalen auf den Friedhöfen Berlins. Ihre Entstehung ist eng mit dem Namen Friedrich Gilly (1772-1800) verbunden, der von seinen Pariser Aufenthalten die Ideen einer Revolutionsarchitektur nach Berlin gebracht hatte. Massige klare Grundformen herrschen vor, angelehnt an die wiederentdeckte sepulkrale Kunst der Ägypter und der Dorer. Die dekorative Kunst des frühen Klassizismus mit seinen der Antike entlehnten Details wie der Schmuckrosette, den Friesbändern, den Festons und auch der Urne werden sparsam dem neuen Stil angepaßt. Die über einem steinernen Grabhügel errichtete, mit Festons geschmückte Urne von 1787 und das Grabmal v. d. Schulenburg (†1798) mit einem an eine Urne gelehnten Trauergenius stehen noch in der Tradition des zopfigen Spätbarock.
Das heute verlorene Sandstein-Grabmal für den vierjährig, 1798 verstorbenen Grafen Carl Alexander Eduard von der Schulenburg auf dem Alten Garnisonfriedhof bildete den Übergang von der barocken Grabmalskunst etwa des "Erfinders des märkischen Puttentyps", Friedrich Christian Glume (1714 -1752) und des Bildhauers Christian Friedrich Sigismund Bettkober (1746-1809), zur Kunst der "Gillyzeit". Auf einem mehrfach abgestuften Sockel des Grabmals von der Schulenburg stand die plastische Gruppe eines an eine Urne gelehnten Trauergenius mit umgestürzter Fackel.
Stilistisch am Ende des Jahrhunderts bereits überholt, reflektierte das Grabmal doch den veränderten Zeitgeist. Sentimentale Trauer wird mit Versatzstücken des

antiken Totenkults zum Ausdruck gebracht, die von keiner christlichen Auferstehungshoffnung verunklärt wird.
Ebenfalls von einer - festongeschmückten - Urne bekrönt, wurde in der Nähe des Eingangs des Alten Garnisonfriedhofes erhaltenes Grabmal für vier namentlich nicht bekannte Offiziere, um 1787 errichtet . Es bestand aus einem aus Feldsteinen aufgeschichteten Grabhügel, einer Gestaltungsidee aus dem Bereich des sentimentalen Landschaftsgartens.

Stilistisch modern und von gleicher Aussage sind die weitgehend erhaltenen Grabmale für den Major Franz Heinrich von Barfuß (1740-1796) und für Oberst Georg Friedrich Wilhelm von Winterfeld (1744-1800), ersteres ein Zippus mit Kannelurenfries und bekrönender Urne, letzteres ein ebenso altarartiger Stein mit einer schlichten, arkrotergeschmückten Aufsatzplatte.
Als stilistischer Nachzügler in dieser Reihe der Grabmale um 1800 sind das fein durchgearbeitete Grabmal für Georg Wilhelm von Sohr (1726-1800), das erst 1817 errichtet wurde, und die beiden zippusförmigen, 1833 und 1835 errichteten Grabmale des Ehepaares Generallieutnant Johann Carl Ludwig und Johanna Braun zu sehen.
Die beiden durch eingelassene marmorne Inschriftenplatten, das feine ionische Kyma (Eierstab) und die Palmetteneckakroterien reicher gestalteten Grabmäler Braun (um 1835) stehen in gleicher Tradition. Die aus hellem Sandstein gearbeiteten Grabmale Braun, mit den eingesetzten, marmornen Inschriftenplatten, spiegeln im besonderen Maße bürgerliches Selbstbewußtsein und künden in den eingetieften Widmungen eine Lebensbejahung über den Tod hinaus, die des göttlichen Segens, aber kaum der geistlichen Fürsprache bedarf. Die Inschrift des Grabmals für Johanna Maria Amalia Margaretha Braun, geb. Michaelien (1784-1833), etwa rühmt die Verstorbene, Ihrem Manne die liebevollste Gattinn, die treueste Freundinn, Ihren Kindern die zärtlichste Mutter, Gesegnet sey ihr Andenken. Das bürgerliche Individuum setzt sich ein Denkmal.


Werke des Hochklassizismus

Eine Besonderheit bildet auf dem Alten Garnisonfriedhof das von den Offizieren des Alexander-Grenadier-Regiments gestiftete klassizistische Grabmal für Oberst Carl von Schachtmeyer (1779-1825).
Vergleichbar ist es in Berlin nur mit den zwischen 1814 und 1824 aufgestellten Grabmalen der Brüder Pirch auf dem Invalidenfriedhof an der Scharnhorststraße und dem Grabmal für den Schauspieler Ludwig Devrient (1784-1832) auf dem Französischen Friedhof an der Chausseestraße. Alle vier Grabmale sind aus Gußeisen gearbeitet und über einem quadratischen Grundriß errichtet. Die Gräber der Militärs sind durch aufwendig gebildete Waffenarrangements geschmückt, die, wie auf einem Altar niedergelegt, die Rückkunft der so geehrten Verstorbenen suggerieren sollen. Am Grabmal Schachtmeyer finden sich als weiterer Schmuck ein unterhalb des Aufsatzes verlaufender Schmuckfries aus Lorbeerblattgewinden und die erhaben gegossenen und ehemals vergoldeten Inschriften auf den vier Seiten des mittleren Sockelblocks.
Die Entwicklung der klassizistischen Sepulkralkunst von den schlichten Grabmalen vom Ende des 18. und des beginnenden 19. Jahrhunderts hin zu den aufwendigen Grabdenkmalen der Schinkelzeit wird im Vergleich der genannten Beispiele mit den künstlerisch herausragenden Grabmalen für den Generalleutnant und Stadtkommandanten Ludwig Matthias Nathanael Gottlieb von Brauchitsch (1757-1827), den Generalleutnant Carl Friedrich von Holtzendorff (1764-1828) und den Stadtkommandanten Ernst Ludwig von Tippelskirch (1774-1840) deutlich.

Gestalt und plastischer Schmuck aller drei Grabmale spiegeln nicht nur die durch verstärkte wissenschaftlich-archäologische Untersuchungen vervollkommnete Kenntnis der griechisch-antiken Klassik wider, sondern im gleichen Maße die grundlegend veränderten Techniken, die durch die in Preußen mit Macht vorangetriebene Mechanisierung den Künstlern zur Realisierung ihrer Kunstwerke zur Verfügung standen.

Das Grabmal Brauchitsch, nach Entwürfen Schinkels und des Bildhauers Ludwig Wichmann (1788-1859) geschaffen, ist eines der vollendetsten Werke der Berliner Eisengießerei, die das Grabmal bereits 1828 zum Motiv ihrer Neujahrsplakette wählte. Das 3,75 m hohe Werk, bestehend aus einem profilierten Sockel, einer sich nach oben leicht verjüngenden Stele und einem darüber hinauskragenden, reich verzierten Aufsatz, ist über einer längsrechteckigen Standplatte aus Stein errichtet. Der oben geschweifte Aufsatz ist mit Rollvolouten und einem mittigen Palmettenakroter geschmückt. Front- und Rückseite zeigen einen stehenden, von Blatt-und Blütenranken umrahmten weiblichen Genius, der mit ausgestreckten Armen zwei Siegeskränze trägt. Die Schmalseiten zeigen Mohnkapseln, Symbol oder Attribut des Hypnos (Schlaf), Zwillingsbruder des Thanatos (Tod), Söhne der Nox (Göttin der Nacht). Der hochgestreckte Stelentypus, der stehende Genius im Rankenwerk und auch der Rahmenschmuck des Aufsatzes gehen auf verschiedene antike Vorbilder zurück - Grabstelen des 4. Jahrhunderts v.Chr. und tönerne Akroterverzierungen von Tempelgiebeln - Kunstwerke, die Schinkel und sein Kreis in den königlichen Antikensammlungen von Berlin, München, Paris und London im Original bewundern oder aus illustrierten Werken zeitgenössischer Archäologen heraus kennenlernen konnten.

Das sehr elegante, 1829 im Auftrag der Offiziere der Artillerie für Carl Friedrich von Holtzendorff geschaffene Grabmal ist eindeutig als Werk Schinkels belegt, dessen Entwurf einer "Stele für einen Krieger" bis auf geringe Abweichungen mit dem ausgeführten Werk übereinstimmt.
Der scharfkantig geschliffene, rötlichbraune Granit der gesockelten Stele verweist auf die perfektionierte Technik der Steinbearbeitung, die in Berlin durch die Firmen von Gottlieb Christian Cantian (1794-1866) und Wimmel & Sohn angewendet wurde. Hauptschmuck der Frontseite ist ein im oberen Teil der Stele eingelassenes, farblich mit dem Ton des Steins effektvoll kontrastierendes, sich nach oben um 2 cm verjüngendes Bronzerelief.
Das vermutlich von dem Schadowschüler Friedrich Tieck (1776-1851) oder dem Rauchschüler August Kiss (1802-1865) modellierte, in zwei Register unterteilte Relief nennt im unteren Teil in erhaben gegossenen Kapitalen den Namen und die militärische Funktion des Verstorbenen, die Stiftergruppe und das Jahr der Entstehung. Das größere Register darüber zeigt im Flachrelief eine geflügelte Viktoria, umrahmt von einem von Bändelwerk umgebenen Lorbeerkranz. Die Figur der Siegesgöttin ist hier eindeutig als Allegorie der heroischen Geschichtsschreibung zu deuten. Die Kanonenlafette, die ihr als Sitz dient, ist Hinweis auf das kriegerische Handwerk des Geehrten. In das "Buch der Geschichte", das in Form einer Ehrentafel auf ihrem rechten Oberschenkel aufruht, trägt sie die Orte und Daten von Schlachten ein, in denen sich der Verstorbene hervorgetan hatte.

Das Grabmal für von Holtzendorff erfüllt mit der Fülle seines auf den Verstorbenen bezogenen Schmuckes im großen Maße bereits die Funktion eines öffentlichen Personendenkmals. Das Fehlen eines Porträtbildnisses, wie es etwa um 1859 am Grabmal für Friedrich August von Witzleben auf dem Invalidenfriedhof realisiert worden ist, läßt aber das Grabmal von Holtzendorff auch als allgemeines Denkmal für das preußische Militär erscheinen.

Das sich im östlichen Bereich des erhaltenen Teils des Alten Garnisonfriedhofs befindliche, fast 3 Meter hohe Grabmal für Ernst Ludwig von Tippelskirch, vor 1844 nach einem Entwurf des Architekten der Berliner Michaelskirche, August Soller (1805-1853), errichtet, lehnt sich in seiner Gestaltung stark an das Grabmal von Brauchitsch an. Da von Tippelskirch Nachfolger von Brauchitschs im Amt des Stadtkommandanten und Chef der Gendarmerie in Berlin gewesen war, scheint es offensichtlich, daß durch die ähnliche Gestaltung auf diesen beruflichen Zusammenhang verwiesen werden sollte. Der gravierendste Unterschied besteht in der Wahl des Materials. Während das Grabmal von Brauchitschs aus Gußeisen gefertigt wurde, wurde das Grabmal von Tippelskirch im Zinkgußverfahren hergestellt.
Über einer Sandsteinplatte erhebt sich eine leicht nach oben verjüngte Stele, die von einem geschwungenen, an den Seiten von Voluten und im Scheitel von einem Palmettenakroter abgeschlossenen Aufsatz bekrönt ist. Aufsatzfront und -rückseite sind in der Mitte mit einem sitzenden, geflügelten Siegesgenius geschmückt, der in der Rechten einen Lorbeerkranz, in der Linken einen Palmzweig als Symbole des Sieges hält. Üppige Blattranken, teilweise plastisch herausragend, umrahmen jeweils die Figur. Die Ausführung des aus mehreren Zinkgußplatten und Zinkornamenten zusammengefügten Grabmals erfolgte in der Werkstatt des Berliner Gießers und Modelleurs Philipp Konrad Moritz Geiss (1805-1875), der Ende der 1820er Jahre in der Eisengießerei seines Vaters,

Johann Conrad Geiss (1794-1846), die Technik des Zinkgusses entwickelt und 1832 vor dem Oranienburger Tor die erste Berliner Zinkgießerei eröffnet hatte.

Die Grabstele für Friedrich de la Motte-Fouqué (†1843) mit reichem Aufsatz und bekrönendem Kreuz steht stilistisch, trotz klassizistischer Grundelemente, bereits an der Schwelle vom Klassizismus zum Historismus. Sie gehört zu den selteneren Werken auf den Berliner Friedhöfen. Sie steht, stilistisch gesehen, am Beginn einer Entwicklung, die zugunsten eines malerischen Effektes die klaren Grundformen des Klassizismus aufgibt. Die Kalksteinstele von griechisch-antikem Zuschnitt wird durch einen aufwendig geschmückten Aufsatz mit einer Art Schindeldachdekoration geschmückt, in der romantische Literaten - wegen der entfernt an einen Schiffskörper erinnernden Form - eine Anspielung auf Fouqués nordische Heldenballaden sehen wollen.
Das bekrönende schlichte Kreuz auf einem blattornamentgeschmückten kleinen Sockel verändert die Erscheinung der aus dem heidnischen Totenkult übernommenen Stelenform zum christlichen Grabmal. Die Hinwendung zu der aufwendigeren Grabkunst der zweiten Jahrhunderthälfte ist bereits erkennbar.